Viel Porzellan zerschlagen

– Von Ralf Exel –
Golf macht wieder Schlagzeilen – leider ganz andere, als dem überwiegenden Großteil der Golfspieler und Golfanlagen lieb wären. Mitten in den drängenden Fragen um die Bewältigung der global größten Krise seit Jahrzehnten schafft es Golfplatzbetreiber Dr. Josef Hingerl prominent auf die Titelseiten der Gazetten – tz-Titelblatt oben rechts, beim Münchner Merkur sogar mit grossem Foto mitten aufs Titelblatt. Seine Positur irgendwo zwischen Schmied von Kochel und Wildschütz Jennerwein: selbstbewusst, rebellisch, mutig – und statt Hammer oder Flinte ein Golfschläger über der Schulter. Lässig schaut er aus. Und eigentlich gar nicht passend zur derzeitigen Gemengelage: während die Politik versucht, mit den Ratschlagen der Virologen und Forderungen der Wirtschaft im Ohr, irgendwie einen raschen Weg aus der Corona-Krise zu finden, schafft der Präsident des Golfclubs Gut Bergkramerhof, im Hauptberuf Rechtsanwalt, schnell Fakten: da „der bayerische Ministerpräsident die Entscheidung über eine Eröffnung der Golfplätze weiter verschoben hat“, nehme er sein „Grundrecht auf Berufsfreiheit und Persönlichkeitsrecht wahr“ und „eröffne den Golfplatz auf mein Risiko.“ So Dr. Hingerl in einer schriftlichen Ankündigung, die auch an den Ministerpräsidenten selbst ging. Rums. Da war sie. Die Schlagzeile aus und über einen Sport, der es sonst leider nur selten aus den Randbezirken des Sportteils schafft. Und mit ihr schnell das Urteil aller Nicht-Golfer. Zitat eines (nichtgolfenden) Redaktionskollegen: „Sag mal Ralf, glauben die Golfer, sie sind was Besseres ?“

Ganz sicher – neutral betrachtet – kann man intensiv drüber diskutieren, wie groß das Infektionsrisiko auf einer Golfrunde unter Abstand- und Hygieneregeln wirklich ist. Sicherlich gegen Null gehend. Genau deshalb erwarten ja alle Golfer und Golfanlagen sehnsüchtig das „go“ der Politik. Ob aber ein medienwirksamer Alleingang da der richtige Wegbereiter ist, scheint sehr fraglich. Dementsprechend sind die Reaktionen anderer Golfplatzverantwortlicher: Werner Proebstl, Präsident im GC Starnberg, schreibt in einem offenen Brief: „Bei aller richtigen Argumentation sind Sie dabei, viel Porzellan zu zerschlagen und Niemandem, aber auch wirklich gar Niemandem dabei zu helfen.“ Wolfgang Michel, Geschäftsführer im GC München-Eichenried, ist noch recht diplomatisch: „Ich halte das Verhalten für wenig sinnvoll, da es sich abzeichnet, dass der Golfbetrieb in Kürze bald wieder aufgenommen werden soll. Natürlich wollen wir alle Golfspielen und die Anlagen baldmöglichst öffnen, aber ein solches Verhalten provoziert die Öffentliche Hand und es wäre sehr schade, wenn all diejenigen, die sich bisher klaglos gefügt haben darunter zu leiden hätten.“ Deutlicher wird da schon Jochen Hornig vom Golfpark Aschheim: „Dass der Golfsport in Bezug auf das Infektionsrisiko relativ ungefährlich ist, steht außer Frage und wird auch von Experten bestätigt. Nachdem in Bayern mittlerweile auch Ladengeschäfte mit einem Produktportfolio, das nicht lebensnotwendig ist, öffnen durften, ist auch die Verhältnismäßigkeit und das Prinzip der Gleichbehandlung nicht mehr gegeben. Daher hat Dr. Hingerl recht, wenn er das kritisiert. Dann aber zur Form der Selbstjustiz zu greifen und die Anlage Bergkramerhof – entgegen der öffentlichen Auflage – eigenmächtig zu öffnen, widerspricht sämtlichen Prinzipien des Rechtsstaats. Ich hoffe, dass Letzteres auch allen Golfern einleuchtet und sein Gebaren die meines Erachtens unmittelbar bevorstehende Öffnung der Golfanlagen nicht negativ beeinflusst. Dr. Hingerl sollte auch wissen, dass spätestens seit letztem Donnerstag mehrere juristische Eilverfahren von bayerischen Golfclubs, darunter eines das vom Bayerischen Golfverband unterstützt wird, vor Gericht anhängig sind. Dies ist der einzige legale Weg auch wenn wir, sowohl die Golfer als auch die Golfanlagen, natürlich ungeduldig sind. Den vielerorts mitschwingenden Vorwurf, dass BGV und DGV untätig waren, teile ich nicht. Sie standen seit Mitte März permanent im Austausch mit Politik und haben dort unserer Interessen platziert.“ Und Claudia Bachmair-Vogl,  Vize-Präsidentin im Münchner GC, meint: „Das Verhalten von Dr. Hingerl ist untragbar. Es sieht mehr nach einer Marketingaktion aus als nach einer gutgemeinten Aktion zugunsten der Golfer.“ Das sieht auch der Bayerische Golf-Verband so. Präsident Arno Malte Uhlig: „Die Aktion von Herrn Hingerl ist unsportlich und schadet der Gemeinschaft der Golfer. Leider geht es Herrn Hingerl auch nicht um Golf sondern eben darum, Aufmerksamkeit zu erheischen. Herr Hingerl ist Rechtsanwalt. Er klagt seit Jahren in unzähligen Prozessen gegen den Deutschen Golf Verband, immer ohne Erfolg. Er hätte, wenn er sich seiner Argumentation so sicher ist, als Golfplatzbetreiber, der durch die Allgemeinverfügung unmittelbar betroffen ist, längst die Verordnung im Verwaltungsverfahren nach § 47 VwGO anfechten können. Statt dessen übt er Selbstjustiz mit öffentlicher Ankündigung. Wir bedauern, dass diese Aktion so viel Aufmerksamkeit erfährt.“ Aufmerksamkeit, die ganz sicher auch die Politik erreicht hat. Immerhin hatte Dr. Hingerl vor der Platzöffnung Ministerpräsident Markus Söder und unzählige weitere Politiker angeschrieben.

Bleibt abzuwarten, ob und wie die Öffnung des Platzes oberhalb von Wolfratshausen die politische Entscheidung nach einer Lockerung der Corona-Bestimmungen für Golfer beeinflusst. Förderlich ist sie ganz sicher nicht.