Günstig Golfen zwischen Kängurus

– Von Brigitte Zander –

Auf der Rückseite der Weltkugel – dort, wo der Mond auf dem Kopf steht und Koalas in den Bäumen schlafen – liegt eine besonders angenehme Golferwelt. Es ist die Heimat von internationalen Profispielern wie Greg Norman, Stuart Appleby, Marcus Fraser, Geoff Ogilvy, Adam Scott und Karrie Webb und unterscheidet sich in vielen Dingen vom Golf „German style“.

Ein Flight heisst hier Party. Etikette-bewusste Oldies der Seniorenklasse tragen noch weiße Kniestrümpfe. Divots müssen nicht zurückgelegt werden, weil Fetzen dieses strapazierfähigen Rasens sowie nicht mehr anwachsen; man füllt Löcher aus dem obligatorisch mitgeführten Sandeimerchen auf. Und am Sonntagnachmittag kann eine Party durchaus aus drei Karts bestehen, gefüllt mit Mum, Dad, Grandfather  und mehreren Kids. Oder aus Bag-beladenen Vätern, Söhnen und Müttern, die samt Kinderwagen über die Fairways ziehen und viel Spaß haben.

Klar, die Rede ist nicht von den international bekannten, exklusiven Enklaven down under: dem  Royal Sydney oder Royal Melbourne Colfclub, wo der Rasen ebenso heilig ist wie die Würde des Hauses. Wo Gäste aus Übersee nur vorangemeldet antreten dürfen, mit sauberem Hemd (ohne Reklameaufdrucke!), das korrekt in der gebügelten Hose steckt, wadenlangen Socken, und der Bestätigung, dass die 350 Aussie-Dollar für 18 Loch bereits überwiesen wurden.

OLYMPUS DIGITAL CAMERAHier sollen die gemütlichen Country Clubs vorgestellt werden, in denen die Preise kleiner und die Regeln lockerer sind. Beispielsweise am Murray River, dem längsten Strom auf dem fünften Kontinent. In seinen grünen Flussauen liegen zahlreiche 18-, 27- und 45 Loch-Plätze. Die Konkurrenz senkt den Preis. Ein Greenfee kostet rund 35 Dollar (rund 28 Euro). Für Langfrist-Touristen lohnt sich eine Fernmitgliedschaft. Denn wer weiter als 40 km von einem Club entfernt wohnt, zahlt nur einen Bruchteil des üblichen Country-Club-Jahresbeitrags  von 350 bis 500 Dollar. Ich bin darum in meinem bevorzugten Winterreiseziel in Corowa (– drei Autostunden von Melbourne entfernt, im Grenzgebiet von Victoria und New South Wales –) gleich dem örtlichen Club eingetreten. Dem Heimatclub von Marcus Fraser übrigens. eimatclub ovn NMarMarkus FraserHFür 150 Dollar (ca. 120 Euro) im Jahr! Im Raum München reicht das kaum für zwei Weekend-Greenfees.

Außerhalb der vier wöchentlichen Club-Turniertage marschiert man auch bei schönstem Sommerwetter oft einsam über die langen Fairways, denn Australier bevorzugen den Wettkampf und treten dazu selbst bei 40 Grad Celsius tapfer an: Die Ladies unter silbernen Sonnenschirmen, die Männer mit ausreichend Bier im Bag oder Kart. Ahnungslose Nachmittags-Golfer sehen an den mit Bierdosen und -flaschen gefüllten Abfallkörben sofort: „Ah, heute war Männerturnier“. Gespielt wird abwechselnd Stableford, Stroke oder Par. Und weil die Aussies Spielernaturen sind, läuft Party-intern meist noch ein Putt-Wettberwerb mit. Der Verlierer zahlt später im Clubhaus die erste Runde.

Handicap-Schoner radiert das System aus: Wer nicht mindestens drei Turnierkarten im Jahr einreicht, fällt aus der kontinent-weiten Handicap Verwaltung „Golf Link“. Andererseits ruiniert ein schlechter Schlagtag kein wertvolles HC. „Golf Link“ wählt aus den letzten 20 Turnieren die besten acht, addiert die Zahlen und multipliziert das Ergebnis mit 0.93. Heraus kommt das neue Handicap. Also meistens ändert sich gar nichts. Das erklärt auch die Lässigkeit, mit der australische Turnierspieler ohne langes Einspielen am ersten Abschlag aufteen. Trockenschwünge reichen. Denn auf der Driving Range gibt es weder Leihbälle noch Ballsammel-Wagen. Wer seine eigenen Bälle hinausdonnert, muss sie auch selbst wieder einsammeln – oder aufgeben.

Nur ganz Eifrige nutzen überhaupt die Driving Range. Denn jeder darf gleich auf dem Platz üben. Auch divot-dreschende Anfänger ohne Platzreife. Den Begriff „Platzreife“ kennen meine Clubkollegen am anderen Ende der Welt gar nicht. Man zahlt Greenfee und zieht los. Nach einem Clubausweis fragt an der Rezeption keiner. Und als Spielerin aus Germany ernte ich immer Lacherfolge, wenn ich von teuren deutschen Platzreife-Kursen samt obligatorischer Prüfung im praktischen Spiel und im Fach Etikette erzähle. Hier üben fünfjährige Knirpse auf dem heimischen Golfplatz unter väterlicher Aufsicht das Schwingen. Nur die ganz ehrgeizigen Boys in der Jugendmannschaft buchen später mal Pro-Stunden. Die meisten meiner dortigen Clubkolleg/innen lernten im Do-it-yourself-Verfahren. Und das erstaunlich gut. Selbst der Gärtner und die Reinigungshilfe unserer Ferienanlage sind einstellig.

Weil Wasser im regenarmen Süden des Kontinents teuer ist, müssen viele Greenkeeper ihre Kapazitäten auf die Pflege der Greens konzentrieren. Fairways weisen im Hochsommer, von Dezember bis Februar, oft braune Stellen auf. Dennoch ist eine Runde immer noch ein Naturerlebnis, denn das weiträumige Gelände mit seinen gewaltigen Eukalyptusbäumen beherbergt mehr Vögel als ein Nationalpark: Ibisse, Wellensittiche, Papageien, Kakadus, Spitzschopftauben, und elsternähnliche Magpies, die je nach Laune gräulich krächzen oder lerchengleich jubilieren.  Der originellste Vogel aber ist der Kokaburra, der immer gackernd lacht und darum auch „lachender Hans“ heißt.

Natürlich wohnen auf manchen Clubgelände auch Kängurus, die sich während der Tageshitze ins Rough zurückziehen und erst in der Dämmerung über die Fairways hüpfen oder sich genüsslich in den Bunkern aalen.  Eine Platzregel in vielen Clubs heisst daher: Bälle, die im Känguru-Kot landen, dürfen straflos besser gelegt werden.“