Reisebericht Schottland: Schmale Küche, breite Fairways

– Von Ralf Exel –

„You must be nuts!“ Mit diesen Worten, gepaart mit einem Gesichtsausdruck irgendwo zwischen Fassungslosigkeit, Erheiterung und Mitleid empfängt uns Taxler Gordon um 8 Uhr früh in strömendem Regen vor unserem Quartier. Bei so einem Wetter jagen nicht mal Schotten ihre Hunde vor die Tür. Obwohl…. Aber der Reihe nach: mit der täglichen Easyjet-Maschine fliegen wir vier bayerischen Golfer zu unserem jährlichen internen „Kugelmarschierer-Cup“*  – dieses Jahr geht es erstmals an die Geburtsstätte unseres Sports, nach Schottland. Genauer gesagt nach East Lothian. Nur wenige Tage nach den British Open zieht es uns natürlich in die Nähe von Muirfield östlich von Edinburgh. Am Airport erwartet uns schon Andrew, unser Driver. Auf der gut einstündigen Fahrt ins lauschige North Berwick gibt’s die erste Intensivstunde über schottisches Wetter, schottische Plätze – und schottische Getränke.

Mit noch größerer Vorfreude geht’s auf einen ersten Stadtbummel, der etwas ernüchternd im Pub „The Ship Inn“ endet, wofür das „Ship Inn“ gar nichts kann, denn dass schottisches Lager für einen Bayern fast Höchststrafe ist und Haggis, der gefüllte Schafsmagen, auch nicht ganz an unsere Weißwürste rankommt, dafür kann der proppenvolle Laden, eine interessante Kombination aus Restaurant und Bar, nun wirklich nichts. Egal, morgen zählt.

Günter Zapf, Markus Stegmaier und Ralf Exel.

Günter Zapf, Markus Stegmaier und Ralf Exel.

Und Schottland erwartet uns genau so wie wir es aus den diesjährigen Open-Übertragungen kennen: sonnig, angenehm warm – und mit weiß-blauem Himmel! Der Glen Golf Club ist unser erstes Ziel, gegründet 1906 und damit ein Jungspund unter den schottischen Plätzen. Direkt am Ortsrand und vor allem direkt an der Küste. Und Glen ist wirklich ein Erlebnis. Nicht nur wegen der unglaublichen Aussichten von fast jedem Loch. Immer wieder taucht der Bass Rock auf, ein Felsen vor der Küste, auf dem rund 1,5 Millionen (!) Basstölpel nisten. Fast minütlich gibt es ein neues Naturschauspiel wenn ein Schwarm aufsteigt. Was Glen als Einstieg für uns angenehm macht: man erkennt (fast) auf jeder Spielbahn, wo es hingeht. Und die Bunker sind hier noch einigermaßen „normal“.

Mittendrin im hochsommerlichen Golfspaß überrascht uns aber ein heftiges Gewitter. Was den Schotten wenig bis gar nicht stört – man stellt sich zusammen, ratscht – oder spielt einfach weiter – auch wenn die Grüns teilweise wie die fränkische Seenplatte aussehen. Egal, was soll’s. Macht Spaß. Irgendwann trauen auch wir Germans uns wieder auf das Fairway. Und genießen den wirklich schönen Par-70-Platz. Nachdem der Versuch mit dem schottischen Lager gründlich daneben ging versuchen wir es mit englischem Bier – was ein gewisser Fortschritt ist und nach der Golfrunde auch geht. Im malerischen North Berwick, in dem bestimmt Rosemunde Pilcher wohnt und ganz sicher die nächsten Ausgaben gedreht werden, geht’s abends zum Fisch und Steakessen. Sehr lecker und preislich ähnlich wie in Bayern. Unser privates Quartier, ein Appartement direkt in der Kleinstadt, ist perfekt für uns: Küche, Wohnzimmer, zwei Schlafzimmer – frisch renoviert.

Günter in Schwierigkeiten ...

Günter in Schwierigkeiten …

An Tag zwei unseres Pokalfights geht’s auf den Gullane Golf Club. Gleich dreimal 18 Loch hat die Anlage – und wir lesen erstmals die berühmt-berüchtigten Zeilen an der Clubhouse-Tür: „No denim jeans! No mobile phones!“ Ja, endlich – ob uns die mit unseren kurzen leicht freakigen Clubhosen überhaupt spielen lassen? No problem. John Daly wäre stolz auf uns – wir tragen eines seiner durchaus gewöhnungsbedürftigen Modelle. Die Damen am Empfang sind wie überall unheimlich freundlich, und los geht’s zum Starter. Der schickt und gleich los – allerdings mit einem kleinen Problem, das uns die kommenden 17 Loch begleiten wird: „Wo geht’s denn hier eigentlich hin?“ ist die meistgestellte Frage. Linksgolf at it´s best. Mit ein bißchen Glück entdeckt man irgendwo eine Fahne – mit noch mehr Glück ist es die richtige. Von der Anmutung her richtiges Open-feeling. Was auch an den durchaus interessanten Topfbunkern liegt, die unserem Zählspiel eine gewisse Würze geben. Bist du deppert !

... aber auch Ralf mit einem Problem.

… aber auch Ralf mit einem Problem.

Immerhin bleibt das Wetter noch gut – und am Ende dürfen wir sogar in unseren kurzen karierten Hosen im Clubhouse darauf anstoßen. Abends „genießen“ wir Burger mit Haggis – an Haggis gewöhnt man sich deutlich schneller als an schottisches Lager. Und dann – dann kommt der erwartete Regen. Derart, dass uns eben sogar Taxifahrer Gordon um 8 Uhr vollkommen entgeistert anschaut, als wir mit Golfbag vor die Türe treten. Er fährt uns zum Whitekirk Golf & Countryclub ein paar Minuten auswärts. Der junge Mitarbeiter im Proshop hat auch nur ein mildes Lächeln für uns über – und erlässt uns gleich mal ohne Nachfragen unsererseits ein halbes Greenfee. Nachdem die Zweifler unter uns mundtot gemacht wurden geht’s los.

Schottland2Der Abschlag steht unter Wasser, auf dem Fairway kommt uns ein Bach entgegen, das Grün wieder eine Seenplatte. Und es wird nicht besser. „Da hinten wird’s heller!“ wird zwar oft zitiert, bringt aber nichts: es regnet und regnet. Plötzlich laufen von hinten zwei junge Golfer auf – ganz im Element, vollkommen durchnässt, und der eine sogar kurzärmlig. Wir schaffen neun Loch – und beschließen dann doch den Abbruch der Runde. Im Clubhouse dann eine interessante News: eine Jahresmitgliedschaft auf diesen wirklich schönen Platz kostet 495,- englische Pfund. Kein Wunder dass Golf dort einfach Volkssport ist.

Nachdem uns die Bedienung dann ausnahmsweise schon kurz vor zwölf Uhr einen Single Malt zum Aufwärmen serviert – und uns der Mann im Pro Shop noch mal pro Nase zehn Pfund rückerstattet – geht’s nach einer heißen Dusche wieder in den Ort. Diesmal gibt’s abends Fish and Chips. Die Meinungen gehen etwas auseinander – aber auch das gehört zu Golfen in Schottland. Am nächsten Tag geht es leider schon wieder zurück. Es war viel zu kurz (wie immer!), aber der erste Eindruck ist bestens: tolle Plätze, eben meist ganz anders als bei uns, spannendes weil sehr wechselhaftes Wetter – und vor allem unheimlich nette aufgeschlossene Menschen. „You must be nuts!“… wenn Du das nicht mal machst!

 

*: den Namen „Kugelmarschierer-Cup“ verdanken wir vor allem unserem unvergessenen George Delanoff: als drei von unserer Gruppe 1996 im österreichischen Haugschlag um 3 Uhr nachts an der Bar plötzlich von einem grauhaarigen Herren angesprochen wurden, der mitten im Raum plötzlich anfing, allen den Golfschwung zu erklären – und dabei immer wieder die Botschaft verbreitete: „Die Kugel muss marschieren!“ Seitdem spielen wir den „George-Haugschlag-Pokal“, auch „Kugelmarschierer-Cup“ genannt, aus. In memoriam George!!!