Reisebericht: Mauerngolf an Englands „letztem Ende“

– Von Brigitte Zander –

Auch das ist Golf! Fotos: Brigitte Zander

Auch das ist Golf! Fotos: Brigitte Zander

Zu dem von Tim Cole beschriebenen urigem Golfplatz in Irlands wildem Norden (22. August) gibt es ein ebenso skurriles Pendant im äußersten Südwesten Englands: der Cape Cornwall Golf Club, eine gebirgige Par 69/70-Herausforderung über mannshohe Steinwälle. Er liegt auf dem „Land‘s End“, einem steilen Hochplateau mit – fast ständigem – Blick auf den Ozean und spektakuläre Klippen.

Der Kurs über das Kap ist nicht lang: rund 5000 Meter für Herren, aber dennoch kein Parkspaziergang, auch wenn die ersten zwei Loch am Clubhaus übersichtlich und ziemlich zahm aussehen. Mangels Driving Range schlagen wir gleich ab. Einmal hin, dann zurück. Aber schon für die Suche nach dem dritten Tee müssen wir den Club-Wirt zu Hilfe rufen, denn es gibt weder eine gedruckte Platzübersicht noch  einen Lochplan an den einzelnen Abschlägen. Klar, dass Entfernungsstäbe hier auch zum unnötigen Luxus zählen. Was immer dann in Rätselraten ausartet, wenn man keine Fahne sieht, weil die hinter einem Hügel versteckt liegt bzw. vom Wind umgelegt wurde. Oder man hat in der Ferne gleich drei Fahnen im Blick, ohne sie genau zuordnen zu können. Folglich schlägt man als blinder Platz-Neuling erst mal vorsichtig in die Fairwaymitte.

Bälleverschlingende Mauern.

Bälleverschlingende Mauern.

Die Bahnen laufen oft an mannshohen überwucherten Felsbrockenmauern entlang, oder – noch gefährlicher – quer über einen solchen Mauer-Riegel. Vermutlich war das Küstengelände einst das Weideland verschiedener Bauern, die ihren Besitz gründlich einkastelten. Diese alten Mauern saugen Bälle magnetisch an, lassen sie spurlos verschwinden oder werfen sie in überraschenden Winkeln hangabwärts. Der Platz erlaubt folglich selten lange Drives. Was nicht nur an engen schrägen Passagen, ausladenden Eichen, Seegrashügeln, und Hang-Roughs liegt, sondern auch an der deftigen Seebrise. Im Kampf mit der Natur gilt ein Doppelbogey schon als Erfolg.  Die meisten Golfer, die online zu diesem Platz ihre Meinung abgesondert haben, preisen denn auch mehr die Aussicht: Den Blick auf Gischt und zackige Inselspitzen, auf alte  Burgruinen, einen Leuchtturm hoch droben auf einer Klippe, und natürlich auf den Atlantik, hinter dem Amerika auftaucht, wenn man nur ein paar Tage Schiff fährt.

Auch Richtung Inland gibt es einiges zu sehen: da säumen blumengeschmückte viktorianische Reihenhäuschen mit Dutzenden von Kaminen den Platz.  Daneben stehen noch einige klotzig-graue Häuserblocks, wo einst die Bergarbeiter wohnten. Denn vom 18. bis Mitte des 20.  Jahrhunderts gruben die Leute keine weißen Bälle aus groben Sandbunkern, sondern Zinnerz aus tiefen Bergwerken. Weit am Horizont erinnern Zechentürme an diese Ära. Die Fotomotive trösten über Fehlschüsse hinweg.

Hügel, Felsen und viel Meer.

Hügel, Felsen und viel Meer.

Die zweite Runde des Linkskurses garantiert ein noch spannenderes Schlag-Festival. Viele Greens liegen noch näher an der Klippenkante. Schon die Bahn 10, ein Par 4, stürzt achterbahnartig ab. Man schlägt ins Nichts und ächzt mit dem Ziehtrolley anschließend den Talkessel wieder hinauf. Das Loch 13, ein Par 3, heisst intern „Sahnetopf“, denn es liegt mitten in einem versunkenen Garten mit Wällen drum herum. Beim Abschlag 14 zielen die Golfer direkt aufs Meer; aber Vorsicht, der schmale Fairway knickt scharf nach rechts ab. Es geht weiter hinunter und wieder schräg hinauf. Jetzt weiß unsereins, warum Golfschuhe mit langen Eisennägeln in der Sohle erfunden wurden. Wir hatten am Ende viele Striche auf der Scorekarte, aber auf jeden Fall an Kondition gewonnen.

Der Platz ist für britische Verhältnisse übrigens erstaunlich jung. Bob Hamilton habe ihn 1990 designed, erklärt man uns eifrig an der Golfshop-Gasthaus-Theke. Wir hatten eher auf ländlichen Grundstücksbesitzer getippt, die an einem bierseligen Abend im Pub eine neue Zukunft für ihre schrägen Schafwiesen entworfen haben. Allerdings war berühmte amerikanische Golf-Champion, damals schon 74 – und ist  im Eröffnungsjahr auch gestorben.

Links-Course auf Lands End.

Links-Course auf Land’s End.

Noch einige Informationen: Die Runde kostete werktags 25 Pfund (1 Pfund = 1.15 Euro). Er gehört zum gemütlichen Städtchen St. Just bei Penzance. Die einzige Anfahrt führt einen Kilometer über ein viel zu enges kurviges Sträßchen, auf dem entgegenkommende Autos nur dank  der sprichwörtlichen englischen Höflichkeit sowie einiger Mini-Ausweichbuchten passieren können. Wenn allerdings der Biertransporter des Clubs oder ein andere LKW entgegenkommen, hilft  auch keine Bucht mehr; dann muss jeder zurücksetzen.  Ein platznaher alter Hotelkasten wurde (und wird) aufgemöbelt und wirbt für einen „Cape Cornwall Golf & Leisure“ Urlaub.