Inklusion: Mal die andere Brille aufsetzen

– Von Friedrich Bräuninger –

Auch im Golfsport kann es  sehr spannend sein, einfach mal die Perspektive zu wechseln. Am eigenen Leibe zu fühlen, wie es den Mitspielern/innen geht und wie sie auf dem Platz mit ihrem Handicap zurecht kommen, ist ein gänzlich neues Erlebnis.  Dabei geht es nicht nur um das Handicap als Messziffer der persönlichen Spielstärke, sondern vielmehr um die Frage, wie es Menschen mit Behinderungen gelingt, den kleinen weißen Ball mit möglichst wenigen Schlägen in ein bisweilen rund 500 Meter entferntes Loch befördern.

Blindengolfer Bernd Walsch in Aktion beim Putting-Turnier im GC Kallin

Blindengolfer Bernd Walsch in Aktion beim Putting-Turnier im GC Kallin

Seit sich in Deutschland immer mehr Golfclubs der „Inklusion“ (gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung) öffnen,  gewinnt dieses Thema stark an Bedeutung. Und der Golfclub Kallin (Berlin/Brandenburg) setzt in diesem Bereich wiederholt neue Akzente. Zum Beispiel mit seinem Putt-Turnier „Inklusion Pur“. So hatte der vollständig schwarzblinde Golfer Bernd Walsch – seit 2015 ehrenamtlich tätiger „Handicapped Captian“ (Inklusionsbeauftragter) im GC  Kallin – jetzt die wegweisende Idee: gesundheitlich nicht eingeschränkte Golfer (Neulinge und Fortgeschrittene) sollten erleben, wie es ist, als Blinder oder am Bein bzw.  Arm amputierter Spieler auf dem Putting–Grün den Ball einzulochen.

Das von der „Aktion Mensch“ geförderte Inklusionsturnier fand am Finaltag (3.9.) der Kalliner Clubmeisterschaften statt und hatte damit ein denkbar hohes Maß an Aufmerksamkeit und Resonanz.  Über 30 Teilnehmer/innen waren gekommen, um auf den drei Stationen „Blind“, „Arm“ und „Bein“ mit jeweils fünf Schlägen aus Distanzen von 5 und 2,5 Metern, einer das Sehvermögen ausschaltenden Schlafbrille sowie einem fixierten Arm- und Fußgelenk einen sportlichen Wettbewerb auszutragen.  Es ging um das Ziel, möglichst mit einem Putt den Ball im Loch zu versenken. Das ist überraschend oft gelungen. Fachkundig betreut und eingewiesen wurden die Teilnehmer vom Organisator  Bernd Walsch (Blind), den am Bein  amputierten Frank Sorber (GC Maria Bildhausen) sowie dem Contergan-geschädigten Golfer Heinz Barnbeck (GC Open.9 München-Eichenried ), frisch gebackener Champion der schwedischen Meisterschaften im Golfsport für Menschen mit Behinderungen.

    Heinz Barbeck (GC Open 9 Eichenried), Contergan-geschädigter Golfer  beim  Abschlag im GC Kallin

Heinz Barnbeck (GC Open.9 Eichenried), Contergan-geschädigter Golfer beim Abschlag im GC Kallin

Heinz Fink, Präsident des GC Kallin, ging ebenso wie meisten anderen Teilnehmer  in allen drei Disziplinen an den Start. Sein Fazit: „Blind war natürlich am schwierigsten. Ich habe bei diesem Turnier ungeheuer interessante Menschen kennen gelernt, die uns zeigen, wie man mit einem Handicap freudvoll und erfolgreich durchs Leben gehen kann“. Davor habe er großen Respekt. Fink kündigte bei der Siegerehrung an, den Weg der Inklusion im GC Kallin konsequent fortsetzen zu wollen.

Die Zahl der Golfer mit Behinderungen ist im GC Kallin laut Walsch mittlerweile auf 24 angewachsen. Walsch, der auch das  Berliner Büro für Inklusion und Zukunftsfragen im Golfsport (BIZ) leitet,  sieht hier – nicht zuletzt wegen der demografischen Entwicklung – noch erhebliches Potenzial.  Heißt auf deutsch: auch die Golfer werden tendenziell älter und 96 Prozent aller Behinderungen stellen sich erst im Laufe des Lebens ein. Deshalb ist es nahe liegend, die sanitären Infrastrukturen  in Golfclubs – Stichwort Barrierefreiheit – entsprechend anzupassen. Die Erlöse aus dem Kalliner Inklusionsturnier  (10 Euro Teilnahmegebühr) kommen diesem Zweck zu Gute. Und: die Repräsentanten anderer deutscher Golfclubs haben in Kallin bereits angekündigt, Walsch´s Idee eines inklusiven Putt-Turniers  mit Perspektivwechsel auf ihren Anlagen nachmachen zu wollen.