Behindertengerechte Sanitär-Einrichtungen – viel Potential in der Nische

– Von Friedrich Bräuninger –

Warum sollten sich Deutschlands 50 000 Unternehmer des  Sanitärhandwerks  (SHK) mal etwas näher mit Entwicklungen im Golfsport befassen? Ganz einfach: weil sich hier für die Betriebe und ihre Beschäftigten ein durchaus interessantes Geschäftsfeld auftut.

Auf den 730 deutschen Golfplätzen (die meisten davon sind gemeinnützige Vereine)  betreiben rund 640 000 eingetragene Mitglieder diesen Sport. Knapp 60 Prozent der Golfer sind mindesten 51 Jahre oder deutlich älter und spiegeln damit die demografische Entwicklung ziemlich genau wieder. Will heißen: gerade für eine reifere Generation, in der gesundheitliche Handicaps durchaus keine seltene Ausnahme sind, wird der Freiluft-Sport auf dem grünen Rasen als sprichwörtlich „gut tuend“ empfunden. Anerkannte sportwissenschaftliche und medizinische Studien – u. a. der Uni Regensburg – belegen die positiven medizinischen Effekte und das enorme REHA-Potenzial des Golfsports.

Soviel zur Ausgangslange. Wo aber könnte für die Sanitär-Branche ein Ansatzpunkt für wirtschaftliches Interesse und handwerklich-technische Aktivitäten liegen? Auf welche Entwicklungen sollten die Unternehmer und ihre Betriebe besonderes Augenmerk richten?

Ein sehr auffälliger Trend in der deutschen Golfszene ist die zunehmende Öffnung für Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen. „Wir beobachten das mit Interesse, auch wenn es sich hier noch um einen Nischenmarkt handeln dürfte“, sagt Volker Röttger, Leiter Marketing/Kommunikation beim Fachhandels-Champion Geberit AG  in Pfullendorf. Doch die Nische breitet sich aus. Immer häufiger suchen Golfanlagen – wie z.B. der GP-München Aschheim – nach einem regionalen SHK-Fachbetrieb, der den Sanitärbereich unter die Lupe nehmen und eine zukunftsweisende Lösung anbieten soll.

„Von einer barrierefreien Gesellschaft profitieren nicht nur Menschen mit Behinderung, sondern auch Ältere, Familien oder Menschen, die nur vorübergehend ein Handicap haben“, lässt die VdK-Vorsitzende Ulrike Mascher in einem aktuellen Appell verlauten.  Auch in den Köpfen, so scheint es, werden zunehmend Barrieren abgebaut.  Erfreut registriert beispielsweise Dr. Werner Pröbstl, Vizepräsident und Inklusionsbeauftragter des Bayerischen Golfverbandes (BGV) „ dass diese Zukunftsaufgabe von einer erfreulich wachsenden Zahl bayerischer Golfclubs beherzt angegangen wird“. Inklusion, also die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderung,  sei  eines der großen Ziele seines Verbandes mit 190 angeschlossen Golfclubs und Anlagen.

Wendeltreppen, enge Zugänge, Barrieren: Wenn Inklusion gelingen soll, muss bei den Sanitäreinrichtungen bayerischer Golfanlagen noch einiges  verändert werden. Foto: Bräuninger

Wendeltreppen, enge Zugänge, Barrieren: Wenn Inklusion gelingen soll, muss bei den Sanitäreinrichtungen bayerischer Golfanlagen noch einiges verändert werden. Foto: Bräuninger

Bei einer Umfrage des BGV in November 2015 gaben immerhin 35 dieser Clubs – und damit knapp 20 Prozent – an, dass sie sich aktuell mit dem Thema Inklusion befassen und entsprechend handeln wollen. Über kurz oder lang werden auch die anderen Anlagen von dieser Entwicklung eingeholt werden und sich ihr nicht länger entziehen können. Mitte März 2016 überraschte der BGV die Präsidenten seiner Mitgliedsvereine bei der Hauptversammlung in München mit  einer 36-seitigen Broschüre „Inklusion pur“, die sich in einem ganzen Kapitel mit den gesetzlichen Voraussetzungen der Barrierefreiheit in Golfanlagen beschäftigt.

Ebenso wie Pröbstl sind sich natürlich auch viele andere Protagonisten und Pioniere des Golfsports für Menschen mit Behinderung  darüber im Klaren, dass bei der  gesellschaftspolitischen Herausforderung „Inklusion“  auch die infrastrukturellen Voraussetzungen stimmen müssen. Und dazu gehören nun mal barrierefreie und behinderten-gerechte  Sanitärzonen für die Gehandicapten.

„Ganz ähnlich wie in der Gastronomie wird man diese sanitären Einrichtungen und Installationen in halböffentlichen Sportstätten auch als eine Art Visitenkarte betrachten“, sagt Uwe Redeker vom Referat „Technik“ des Fachverbandes SHK Bayern. Nach seiner Einschätzung wird sich gerade in Golfclubs „ ganz unabhängig von  den in der DIN 18040 vorgegebenen Standards “  hier eine eher anspruchsvollere Planung und Projektierung ausprägen, die natürlich auch ein entsprechendes Licht auf die  Hersteller und Handwerker werfe.

Zu den Vorreitern und Musterbeispielen einer  barrierefreien Golfanlage zählt zweifellos der GC Lilienthal bei Bremen, wo bereits  im Jahr 2005 – auch im Sanitärbereich – alles so gebaut und gestaltet worden ist, dass Menschen mit Behinderungen hier nichts vermissen müssen. In einem ehemaligen Bauernhaus aus dem Jahr 1822 ist es den Planern und Handwerkern gelungen, die Vorgaben des  Denkmalschutzes und der Barrierefreiheit kongenial miteinander in Einklang zu bringen.

Als vorbildlich gilt auch der Golfclub im rhönfränkischen Maria Bildhausen, seit über 20 Jahren regelmäßiger Austragungsort von nationalen und Internationalen Inklusionsturnieren. Obwohl die Toiletten, Waschbecken nebst Armaturen  sowie  der Dusch – und Umkleidebereich auch für Rollstuhlgolfer ebenerdig und barrierefrei zugänglich sind, gibt es nach Überzeugung des Behindertenbeauftragten Frank Sorber „ durchaus noch Luft nach oben“. Sorber nennt hier beispielsweise rutschfeste  Bodenfließen und spezielle Halterungen, mit denen Sturzgefahren von Gehbehinderten oder Blinden beim Duschen minimiert werden könnten. Einige Verbesserungen seien laut Sorber beim anstehen Eigentümerwechsel des GC Maria-Bildhausen  „ganz konkret auf dem Radar“.

Einer der maßgeblichen Antreiber derartiger Entwicklungen ist der Berliner  Blindengolfer Bernd Walsch, Gründer und Leiter des Büros für „Inklusion und Zukunftsprojekte im Golfsport (BIZ)“. Er agiert als „Handicaped Captain“ im Golfclub Kallin (Berlin/Brandenburg) und akquiriert Fördermittel, damit der Sanitärbereich in punkto Barrierefreiheit und Komfortgewinn  auf Vordermann gebracht werden kann. Unterfahrbare Waschbecken, Duschsitze sowie eine leicht zugängliche Behinderten-Toilette sollen den Inklusions-Anspruch untermauern. Walsch will noch in diesem Jahr einen Workshop für die Geschäftsführer und Inklusionsbeauftragten deutscher Golfclubs veranstalten, bei dem es vorrangig um Barrierefreiheit und  Sanitäres gehen soll.

„Bei Umbauten wird man natürlich durchaus Kompromisse machen müssen“, meint Birgit Schimmel, stellvertretende Chefin der Bayerischen Architektenkammer (ByAK) in München. Und sie überrascht mit einer Ankündigung, dass  es im neuen Kommentar der Architektenkammer zur DIN 18040-3  bis Spätsommer dieses Jahres  ein eigenes Kapitel zum Thema „Golfanlagen“ geben werde.

Fest steht: Großer Handlungsbedarf zeichnet sich besonders bei Clubanlagen „ im Bestand“ ab, die meist zu einer Zeit gebaut worden sind, als von Barrierefreiheit oder Inklusion noch keine Rede war. Bei geplanten Umbau- oder Renovierungsmaßnahmen wird das Thema – schon von Gesetzes wegen –  zwangsläufig auf die Agenda kommen. Und überall dort, wo die Clubmanager und Präsidenten die Inklusion vorantreiben wollen, sind solche Überlegungen oft der Auslöser, die Gegebenheiten im Sanitärbereich grundsätzlich zu analysieren und für Golfer mit Behinderungen zu verbessern.

Von einer Marktnische bis zu einem handfesten Trend mit nicht unerheblichem Markt- und Handwerkspotenzial ist es da oft nur ein kleiner Schritt.